Geschichtlicher Abriss
Die deutsche Sprache wird in den Jassyer Gymnasien schon seit den 1830er- Jahren unterrichtet. Trotz der auf den rumänischen Kulturraum andauernd ausgeübten Anziehungskraft der deutschsprachigen Kultur, wird der ältere Vorsatz, im Rahmen der Universitäten aus Bukarest und Jassy, Lehrstühle für deutsche Sprache und Literatur einzurichten, erst nach 1900 Wirklichkeit. Traian Bratu, Deutschlehrer im Nationalen Gymnasium in Jassy, geboren 1875 in Rasinari, 1907 in Berlin zum Doktor der Philologie promoviert, wird am 22. Oktober 1907 Inhalber der Außerordentlichen Professur der Universität Jassy, wird am 16. August 1916 zum Professor berufen. Auch heute, nach mehr als hundert Jahren seit der Einrichtung der von Traian Bratu besetzten Stelle, trägt das Seminar des Germanistiklehrstuhls seinen Namen.
Bezeichnend für das Profil des Professors und Forschers Traian Bratu ist die Überzeugung, dass es auf der Ebene eines Lehrstuhls, „ohne eigene Forschung keine wirkliche Universitätsausbildung gibt”, und dass es seine Aufgabe ist, eine „Schule”, die wissenschaftliche Forschung ausüben, und wirkliche Wissenschaftler ausbilden kann, aufzubauen. Über seine Tätigkeit als Wissenschaftler und Professor hinaus, engagiert sich Traian Bratu auch in der Hochschulpolitik, indem er schon in den 1920er-Jahren zum Dekan der Philologischen Fakultät und zum Rektor der Universität gewählt wird. In dieser Eigenschaft, kämpft er gegen die Tendenzen, die Universität zum Zweck der Propagierung totalitärer Ideologien zu instrumentalisieren. Gegen diese Tendenzen, die sich in Rumänien nach dem ersten Weltkrieg manifestieren, versucht Traian Bratu anzugehen, indem er für die Integration der Minderheiten in die neue rumänische Staatsstruktur eintritt.
Der Hermannstädter Karl Kurt Klein, der 1923 am Lehrstuhl Traian Bratus als wissenschaftlicher Assistent angestellt wird, und ein tiefsinniger Kenner und Förderer der sächsischen Kultur aus Siebenbürgen ist, wird 1932 außerordentlicher Professor, wobei er zwischen 1932-1937 auch Direktor der Universitätsbibliothek ist. Über ihre ungeheure wissenschaftliche Tätigkeit hinaus verdankt die rumänische Germanistik Bratu und Klein die Systematisierung einer originellen Methode zum Erlernen der deutschen Sprache.
Ende der 30er-Jahre führen die rechts-extremistischen Studentenbewegungen zu einer Verschlechterung des Klimas innerhalb der Universität. Nachdem er im Jahre 1937 einem tödlichen Attentat knapp entgeht, tritt Traian Bratu 1938 aus dem Rektorat zurück, um zwei Jahre später zu entschlafen. In derselben Zeitspanne wird Karl Kurt Klein ordentlicher Professor an der Universität Klausenburg, als Nachfolger von seinem ehemaligen dortigen Professor Gustav Kisch.
Zwischen 1940-1943 ist der Germanistiklehrstuhl unbesetzt mit Ausnahme von zwei Semestern, im Jahr 1941-1942, wenn sie von Virgil Tempeanu, einem ehemaligen Rumänisch-Lektor an der LMU München, vertreten wird.
Seit 1943 übernimmt Jean Livescu, ehemaliger Schüler von Bratu, als Vertreter den Germanistiklehrtuhl, und seit 1947 leitet er ihn als Inhaber. 1948 wird er zum Dekan der neugegründeten Philologischen Fakultät, in Dezember 1948 wird er zum Rektor der Jassyer Universität ernannt.
1952 werden als Folge der stalinistischen Verstümmelung des Universitätswesens, das Fach Deutsche Sprache und Literatur und auch der Germanistiklehrstuhl gestrichen. Erst 1964 wird Germanistik selbständiges Fach wieder, Cornelia Andriescu wird dabei als Leiterin einer im Rahmen des Anglistiklehrstuhls eingerichteten Arbeitsgruppe von jungen Lehrkräften ernannt. 1967 wird der Germanistiklehrstuhl unter der Leitung von Herta Perez, die 1969 ordentliche Professorin für deutsche Literatur wird, neu eingerichtet.
Vor dem Hintergrund der ideologischen Druckausübung und der Krise, die das rumänische Universitätswesen in den 80er-Jahren durchmacht, wird das Fach Germanistik in Jassy erneut gestrichen (wie auch in Klausenburg, Temeswar, Hermannstadt), wobei es doch als Nebenfach innerhalb des Rumänistiklehrstuhls geduldet wird; die Lehrstuhlmitglieder werden in einen gemischten Lehrstuhl für germanische Sprachen und Literaturen einverleibt.
1990 bekommt die Germanistik an der Universität Jassy den Status eines eigenstädigen Fachs wieder und gleichzeitig auch seine Autonomie. Die Leitung des Lehrstuhls wird von Andrei Corbea-Hoișie, der 1990 zum Außerordentlichen Professor und 1995 zum Ordentlichen Professor befördert wird. Danach werden drei außerordentliche Professuren, zwei außerordentliche Professuren für Linguistik, besetzt von Octavian Nicolae und Cornelia Cujbă und eine außerordentliche Professur für Literatur, besetzt von Grigore Marcu eingerichtet. Die deutsche Sprache wird ebenfalls in allen Fakultäten der Universität unterrichtet; im Rahmen der Fakultät für Wirtschaftwissenachaften funktioniert eine außerordentliche Professur für Wirtschaftsdeutsch, besetzt von Magdalena Leca. Von 1997 wird die Germanistik auch Promotionsfach; bis heute wurden hier 15 Doktorarbeiten im Fach Germanistik verteidigt. Die Verfestigung des Lehrstuhls erfolgt nicht nur durch eine intense und anerkannte Lehre und wissenschaftliche Tätigkeit, sondern auch durch die Einstellung junger Lehrkräfte, die Forschungsstipendien in Deutschland, Österreich und in der Schweiz erhalten, durch die günstigen Partnerschaftsabkommen mit wichtigen Universitäten aus Deutschland, Österreich, durch zahlreiche europäische Mobilitätprogramme für Studierende, durch das gute Funktionieren der deutschen und rumänischen Lektorate, durch die enge Zusammenarbeit mit dem Goethe-Zentrum aus Jassy, durch die Bereicherung des deutschsprachigen Bücherbestandes der Seminarbibliothek „Traian Bratu”, und der neu errichteten Österreich Bibliothek und nicht zuletzt durch die Umsetzung des „Bologna Prozesses”.